Die ärztliche (Muster-)Berufsordnung für alle in Deutschland praktizierenden Ärzte gebietet: „Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern.“ Warum das? Weil Ärzte – Chefärzte eingeschlossen – keine Halbgötter in Weiß, sondern irrende Menschen sind, denen bei der Behandlung von Patienten vermeidbare Fehler unterlaufen können.
Laut einer statistischen Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer gab es 14.095 registrierte Vorwürfe gegen Ärzte im Jahr 2011. Dem Geschädigten erwächst aus einem Behandlungsfehler ein Haftpflichtanspruch: Etwa auf Zahlung der Kosten für die Wiederherstellung seiner Gesundheit, auf Ausgleich von Einkommensverlusten, auf Erstattung von Mehraufwendungen (Haushaltshilfe), auf Zahlung von Schmerzensgeld.
Im Prozess steht dem Patienten der mächtige Haftpflichtversicherer des Arztes entgegen. Wohl dem, der selbst eine Rechtsschutzversicherung hat. Auf die staatliche Prozesskostenhilfe angewiesen zu sein, kann böse enden. Wenn der Prozess verloren geht, muss der Patient die Kosten für den Gegenanwalt und gegebenenfalls auch alle Gerichtskosten, die hohen Sachverständigenkosten eingeschlossen, erstatten. Doch es gibt eine Alternative zum Gerichtsverfahren.
Nutzen Sie die von den Ärztekammern eingerichteten Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen.
Wenn Sie Ihren Fall sachgerecht und umfassend – zweckmäßig mit rechtsschutzversichertem Anwaltseinsatz – vortragen und Ihr Gegner nicht kneift, sich also auf das Verfahren einlässt, erhalten Sie eine kostenlose Begutachtung. Der von der Kommission / Schlichtungsstelle beauftragte Sachverständige erhebt Ihren Befund und äußert sich zu der von Ihrem Arzt durchgeführten Behandlung. Hat der Arzt die richtige Methode gewählt oder wäre ein anderes Verfahren heilsamer gewesen? Ist es während der gewählten Behandlung zu einem Fehler gekommen? Konnte der Arzt bei gehöriger Sorgfalt sein fehlerhaftes Verhalten vermeiden? Wurde der jetzige Leidensbefund durch die durchgeführte Behandlung verursacht?
Ein Verfahren vor der Schlichtungsstelle ist allerdings freiwillig. Auch die ärztliche Berufsordnung verpflichtet den Arzt nicht, sich dem Verfahren zu stellen. Wenn sein Haftpflichtversicherer ein Risiko sieht, wird er dem Arzt aber zur Mitwirkung raten.
Sie müssen aufpassen, dass alle Krankenunterlagen vollständig vorgelegt werden.
Der Arzt hat die Dokumentationspflicht, der Patient aber ein Einsichtsrecht. Ob der Arzt Sie richtig aufgeklärt hat, lässt sich in diesem Verfahren durch Zeugen nicht beweisen. Aber sie erhalten am Ende des Verfahrens das für Sie kostenlose Sachverständigengutachten, verbunden mit einer nicht zwangsweise durchsetzbaren Empfehlung der Kommission. In Rheinland-Pfalz und Hessen kann auf Wunsch beider Parteien im Wege der Schlichtung ein Vergleichsvorschlag unterbreitet werden. Ähnlich läuft es bei der Schlichtungsstelle für Haftpflichtfragen der Norddeutschen Ärztekammern.
Fazit: Sie vermindern Ihr Prozessrisiko bei einem Regreßprozess gegen Ihren Arzt ganz erheblich, wenn Sie zuvor das Gutachterverfahren durchführen. Vielfach erledigt sich dann der Prozess, weil der Haftpflichtversicherer für den Arzt zahlt oder dem Arzt ein vermeidbarer Fehler nicht nachgewiesen werden kann. Allerdings ist in einem Punkt Vorsicht geboten: Bei Zahnärztepfusch erhebt die Schlichtungsstelle der Landesärztekammer in Rheinland-Pfalz auch vom Patienten eine Gebühr in Höhe von 400 Euro.