In der Baupraxis wirft dieses interessante Thema vielerlei Fragestellungen auf. Die Bauvertragsparteien, unabhängig, ob es sich um Auftraggeber oder Auftragnehmer handelt, schätzen meist die Rechtslage falsch ein.
Dies ist oftmals auch nicht einfach, da man klare Unterscheidungen treffen und es viele Abzweige gibt, die man bedenken muss, um zu einer richtigen Lösung zu kommen. Zunächst einmal muss man zwischen einem Einheitspreisvertrag und einem Pauschalpreisvertrag unterscheiden.
Einheitspreisvertrag: Eine Mengenänderung ist nur über 10% erheblich
Bei einem Einheitspreisvertrag, der die VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen) zur Grundlage hat, richtet sich der Vergütungsanspruch bei Mengenänderungen nach § 2 Abs. 3 VOB/B. In dieser Vorschrift wird sowohl eine Mengenüberschreitung als auch eine Mengenunterschreitung geregelt.
Bei einem Einheitspreisvertrag sind immer nur ungefähre Mengen angegeben, die durch das Aufmaß nach Abschluss der Leistungen abschließend tatsächlich festgestellt werden. Der vertragliche Einheitspreis bleibt gleich, soweit die ausgeführte Menge um nicht mehr als 10 % von dem im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Umfang abweicht.
Als Beispiel soll bei einer Stückzahl von 100, die im Leistungsverzeichnis vorgesehen ist und einer Mengenmehrung von 10 Stück dargestellt werden, dass es bei dem Einheitspreis verbleibt.
Sollte sich nunmehr eine Stückzahl von 12 ergeben, so liegt eine Mengenüberschreitung über 10 % vor. Dabei kommt es dann nicht automatisch zu einer Preisanpassung, sondern nur, wenn eine Partei eine solche Preisanpassung verlangt.
Preisanpassung muss bewusst verlangt werden!
Dieses Verlangen ist Voraussetzung für einen Preisanpassungsanspruch. Ein neuer Preis wird aber keineswegs über die gesamte Menge von 112 Stück gebildet, sondern nur über die 110 % hinausgehende Überschreitung.
Mithin bleibt der im Leistungsverzeichnis vereinbarte Einheitspreis für 110 Stück bestehen. Eine Preisanpassung erfolgt nur für die darüberhinausgehende Menge, also nur für die 2 Stück.
Dies wird insbesondere von Auftraggebern immer wieder falsch gemacht, indem sie meinen, dass sich der Einheitspreis bei Mehrmengen verringern muss und vom Auftragnehmer verlangen, dass sich die Preisanpassung entweder über 112 Stück erstreckt oder über 12 Stück. Vielmehr kann eine Preisanpassung nur über 2 Stück erstrecken.
Grundsätzlich ist die Auffassung der Auftraggeber auch falsch, dass sich der Einheitspreis zwangsläufig bei Mehrmengen verringern muss, insbesondere wenn man bedenkt, dass eine Nachbestellung von Material meist teurer ist, als wenn die Menge bereits im Vorhinein bestellt worden ist.
Bei einer Mengenunterschreitung beim Einheitspreisvertrag gilt dieselbe Berechnungsweise. Bis zu einer Mengenreduzierung von 10 % verbleibt es bei dem im Leistungsverzeichnis vereinbarten Einheitspreis.
Das bedeutet bei einer Mengenunterschreitung, dass erst bei mehr als 10 % eine Preisanpassung überhaupt infrage kommt. Auch hier muss auf Verlangen einer Partei die Erhöhung des Einheitspreises verlangt werden.
In unserem Beispiel stellt es sich demnach so dar, dass bei einer Reduzierung der Stückzahl von 100 Stück auf 90 Stück der vertraglich vereinbarte Einheitspreis bestehen bleibt. Bei einer Reduzierung der Stückzahl von 100 Stück auf 88 Stück, kann sich die Preisanpassung wiederum nur auf die 2 Stück erstrecken. Also nur für eine über 90 Stück hinausgehende Mengenunterschreitung kommt eine Anpassung des Einheitspreises in Betracht.
Abschließend sei zu der Vorschrift des § 2 Abs. 3 VOB/B angemerkt, dass diese Vorschrift nur dann zum Tragen kommt, wenn keine Partei in die Mengenabweichung eingegriffen hat.
Vorsicht bei einer Leistungsänderung!
Etwas anderes gilt, wenn es zu einer Leistungsänderung gekommen ist, insbesondere dann, wenn Mehrmengen nunmehr von dem Auftraggeber gefordert werden, da beispielsweise die ausgeschriebene Fläche Bodenbelag nunmehr mit Parkett als mit Teppich verlegt werden soll.
Bei einer solchen Leistungsänderung handelt es sich nicht mehr um den Fall des § 2 Abs. 3 VOB/B, sondern um einen Fall von § 2 Abs. 5 VOB/B oder § 2 Abs. 6 VOB/B.
Mengenänderung beim Pauschalpreisvertrag
Bei einer Mengenänderung beim Pauschalpreisvertrag dagegen bleibt die Vergütung grundsätzlich unverändert. Die vertraglich vorgesehene Leistung ist zu dem vereinbarten Pauschalpreis zu erbringen, unabhängig davon, welchen tatsächlichen Aufwand sie für den Auftragnehmer verursacht hat.
Denn bei Abschluss eines Pauschalpreisvertrages trägt der Auftragnehmer grundsätzlich das Risiko von Mehrleistungen und nimmt durch eine solche Preisvereinbarung die damit verbundenen Risiken bewusst in Kauf.
Dahinter verbirgt sich allein der Sinn ist die vereinbarten Leistungsziele zu erreichen, unabhängig von dem anfallenden Arbeitsumfang und sonstigen Aufwand. Das gilt für eine Leistungsmehrung aber auch für eine Leistungsminderung.
Viele Auftraggeber meinen aber, dass sie auch bei einem Pauschalpreisvertrag im Falle einer Leistungsminderung eine Anpassung des Pauschalpreises vornehmen können. Das ist jedoch nicht der Fall.
Preisanpassung beim Pauschalpreisvertrag nur im Ausnahmefall möglich
Eine Preisanpassung bei einer Mengenabweichung bei einem Pauschalpreisvertrag kommt nur dann in Betracht, wenn die ausgeführte Leistung von der vertraglich vorgesehenen Leistung so erheblich abweicht, dass ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht zumutbar ist.
Dies gilt sowohl beim BGB-Vertrag als auch beim VOB-Vertrag (§ 2 Abs. 7 VOB/B). Hier gelten die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage.
Nur über diese Grundsätze kann ein Ausgleich unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten verlangt werden. Dies betrifft wiederum alleine die reinen Mengenabweichungen.
Im Falle der Leistungsänderung oder zusätzlichen Leistungen sind die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht anwendbar. Die Frage, wann das Festhalten an der vertraglich vereinbarten Pauschalsumme unzumutbar ist, kann nicht allgemein beantwortet werden.
Entscheidend ist nach der Rechtsprechung, wie sich die Mengenabweichung auswirkt. Nur eine unzumutbare Auswirkung führt zu einem Anspruch auf Preisanpassung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es darauf an, wie der Auftragnehmer durch die Mengenabweichung wirtschaftlich getroffen wird.
Dabei ist eine Gesamtschau notwendig, da Mengenüberschreitungen in einer Position durch Mengenunterschreitungen in anderen Positionen ausgeglichen werden können.
Anpassung erfolgt nur bei erheblichen Auswirkungen
In der Rechtsliteratur und auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung sollen Mengenabweichungen von über 20 % als erheblich angesehen werden. Jedoch hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, dass es eine feste Grenze, die zahlenmäßig bestimmt werden kann, nicht gibt.
Allein von einer erheblichen Mengenabweichung von 20 % kann nicht auf ein unzumutbares Festhalten an der vertraglich vereinbarten Pauschalsumme geschlossen werden. Im Rahmen der Gesamtschau ist auch zu berücksichtigen, wie es zu der Mengenabweichung gekommen ist.
Dabei spielt es vor allem eine Rolle, wer die dem Pauschalvertrag zugrunde liegende Menge geschätzt hat. Fehlschätzungen des Auftraggebers berechtigen eher zu einer Preisanpassung als Fehlschätzungen des Auftragnehmers.
Deshalb ist die Frage der Preisanpassung bei einem Pauschalpreisvertrag nicht leicht zu beantworten. Hier kann man jedoch mitnehmen, dass eine solche Preisanpassung beim Pauschalpreisvertrag nur als Ausnahmefall in Betracht kommt, wenn die Grenze der Unzumutbarkeit überschritten wurde.
Der Begriff der Unzumutbarkeit stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, den das Gericht ausfüllen kann, was ein erhebliches Risikopotential darstellt.
Vielmehr sollte man zur Risikominimierung übergehen und auf jeden Fall bei einem Pauschalpreisvertrag die Mengen vorher sorgfältig überprüfen und sich nicht auf die Mengenangaben des Auftraggebers verlassen.
Diese Prüfung sollte selbstverständlich vor Abschluss des Pauschalpreisvertrages erfolgen, um dem Auftraggeber klarzumachen, dass entgegen seiner Berechnung höhere Mengen anfallen werden und daher ein höherer Pauschalpreis gebildet werden muss. Viele Auftragnehmer verfahren falsch, in dem sie sich auf das Zahlenwerk des Auftraggebers verlassen und hinterher versuchen, eine Anpassung des Pauschalpreisvertrages zu verlangen. Dies wird in den überwiegenden Fällen nicht gelingen.
Tipp: Deshalb kann nur daran appelliert werden, sorgfältig alle Mengenangaben und auch den dazugehörigen Leistungstext zu prüfen.